Interview mit Dr.med.vet., Dr. rer. Nat Udo Hetzel, von der Universität Helsinki, Fakultät für Veterinärmedizin, Department of Veterinary Biosciences.

H+E Stöckl: Herr Dr. Hetzel, Sie sind einer der führenden, wenn nicht der führende IBD Forscher in Europa. Gibt es Neuigkeiten bei IBD?

Dr. Hetzel: Ich habe eine IBD positive trächtige B. constrictor euthanasiert und seziert. Mutter und Embryonen (15-0cm) sind IBD positiv, d.h. es gibt nicht nur eine horizontale, von Tier zu Tier, sondern auch eine vertikale, von einer zur nächsten Generation verlaufende Übertragung.

H+E Stöckl: Denken Sie, dass die vertikale Übertragung zwingend ist oder dass es Ausnahmen gibt?

Dr. Hetzel:  Ehrlich... ich weiß es nicht, ich befürchte, da müssen wir ernsthaft größere Fallzahlen nehmen. Was ich weiß ist, dass Spermien und Eizellen adulter IBD positiver Tiere positiv sind, d.h. es ist eher wahrscheinlich, dass bei solchen Tieren die Embryonen / Jungtiere auch positiv sind.

Was geschieht wenn ein negatives trächtiges Alttier infiziert wird, kann ich nicht sagen, das müsste man vermutlich experimentell prüfen.

Wir haben 1-2 Tiere die in der Sektion sehr klar IBD positiv sind, in denen aber keine Arenaviren nachweisbar sind, d.h. für mich, hat IBD, Krankheit aber so alt, dass kein infektiöses Virus mehr da ist.

Unsere Laboruntersuchungen haben gezeigt, dass die Viren in der Zellkultur bei 37°C deutlich schlechter wachsen als bei 30°C (meine finnischen Kollegen schlagen deshalb - typisch finnisch- einen Saunagang mit den Tieren vor).

H+E Stöckl:  Das mit der Temperatur ist ja hochinteressant. Wird sich das in irgendeiner Weise als Therapie nutzen lassen?

Dr. Hetzel:   Das haben wir uns auch schon gefragt, wieder kann ich Ihnen keine konkrete Antwort geben, nur die Beobachtung. Es ist mit Sicherheit ein Punkt auf der Liste der Fragen, die wir noch abarbeiten müssen.

Abschließend noch eine Bitte: Ich habe von 15-20 cm langen B. constrictor Embryonen doch die Gewebekulturen angelegt. Diese Zellen wachsen sehr gut, sogar Gehirngewebe lebt schon seit 5 Wochen und einzelne Herzzellen kontrahieren sich konstant.

Da ich gern den Vergleich zwischen B. constrictor und Python (z.B. regius) untersuchen möchte - es muss ja einen Unterschied geben, wenn man sich den unterschiedlichen Krankheitsverlauf bei Python und Boa ansieht- sollten Sie evtl. noch einen Pythonzüchter kennen, der noch angebrütete Eier hat und mir 2-4 verkaufen würde lassen Sie es mich bitte wissen. Ich weiß, die Saison ist vorbei...

H+E Stöckl:  Sehr geehrter Herr Dr. Hetzel, vielen Dank, dass Sie uns auf den neuesten Stand gebracht haben. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Forschungsarbeit!

An die Besucher unserer Internetseite: Wer Herrn Dr. Hetzel mit angebrüteten Pythoneiern weiterhelfen kann, oder jemanden kennt, der es kann, möge sich bitte bei uns melden, wir stellen dann den Kontakt her.



Was ist IBD?

Es  gibt nur sehr wenige Erkenntnisse über IBD, die Inclusion Body Disease, Einschlusskörperchenkrankheit oder Boa Aids, wie sie auch genannt wird, die als völlig gesichert gelten können. Das führt naturgemäß dazu, dass die Gerüchteküche zu brodeln beginnt und ein Sammelsurium von Halbwahrheiten, Vermutungen und Übertreibungen die Runde macht.

Deshalb sind wir geneigt, die Frage "Was ist IBD?" polemisch wie folgt zu beantworten: IBD ist das Lieblings-Aufgeilungs-Thema ignoranter Dummschwätzer in den Reptilienforen im Internet. Diese Trolle verbreiten mit Begriffen wie "Boa Aids" genüsslich Panik, wo eigentlich sachliche Aufklärungsarbeit angebracht wäre.

Auf diese Weise wurden nicht nur unerfahrene Boa Halter so verunsichert, dass sie schon IBD bei ihrer Boa constrictor sehen, wenn sie für ein paar Minuten den Kopf in die Höhe streckt um etwas zu beobachten.

Deshalb an dieser Stelle nüchterne Fakten und der neueste Stand der Erkenntnisse über diese Krankheit.

Wir bedanken uns bei der führenden europäischen Kapazität zu diesem Thema, Herrn Dr. rer. nat., Dr. med. vet. Udo Hetzel, University of Liverpool, Department Of Veterinary Pathology für die Durchsicht des wissenschaftlichen Teils dieses Artikels.  

Desweiteren bedanken wir uns bei den Reptilientierärzten Dres. Katharina und Wolfgang Heuberger dafür, dass sie uns hinsichtlich der neuesten Erkenntnisse hinsichtlich dieser Krankheit immer auf dem Laufenden halten. 

Also nochmal: Was ist IBD?

Man glaubt, dass IBD eine Viruserkrankung ist. Bei dem Erreger soll es sich (ebenso wie bei Aids) um einen Retrovirus handeln. Dieser bildet Einschlüsse, die in epithelialen Zellen des Respirations- und Verdauungstraktes sowie in Leber, Pankreas, Milz, Nieren, Ovarien, Hoden Knochenmark und Nervenzellen gefunden werden. Die Folge davon ist eine krankhafte Gewebsveränderung in Netzhaut, Gehirn, Rückenmark, peripheren Nerven und Organen.

1. Welche Riesenschlangen können IBD bekommen?

Boas und Pythons können gleichermaßen an der Inclusion Body Disease erkranken. Es gibt zwar leichte Unterschiede in der klinischen Symptomatik, aber die Krankheit nimmt nach dem Ausbruch sowohl bei Boas als auch bei Pythons immer einen tödlichen Verlauf. Die Behauptungen von Königspythonzüchtern und -händlern, IBD komme bei Python regius nicht vor, ist schlicht und ergreifend falsch.

Die meisten IBD Erkrankungen wurden bisher in den USA diagnostiziert, aber auch Europa ist mittlerweile betroffen.

Boa constrictor ist dafür bekannt, dass sie Langzeitträger des Virus sein kann, ohne selbst daran zu erkranken. Solche Tiere sind jedoch in der Lage, andere Riesenschlangen damit anzustecken. In Deutschland wurde IBD bisher im „Boa constrictor – Bereich“ am häufigsten bei Mischlingsboas nachgewiesen. Das ist nicht verwunderlich, weil diese den weitaus größten Anteil der hierzulande gehaltenen Boas ausmachen. Reinrassige Boa constrictor  können natürlich genauso an IBD erkranken, wenn sie von infizierten Tieren angesteckt werden.

Es ist noch nicht bekannt, ob die Inclusion Body Disease auch bei wildlebenden Riesenschlangen vorkommt (die bisherigen Erkenntnisse sprechen eher dagegen), oder ausschließlich bei Terrarientieren. IBD tritt meistens bei juvenilen bis adulten Tieren auf, aber auch Riesenschlangenbabys können betroffen sein.

2. Welches sind die klinischen Symptome der Inclusion Body Disease?

Das bekannteste Anzeichen von IBD ist das sogenannte „Stargazing“ (Sterngucken).  Die Schlange ist nicht mehr in der Lage, ihre Bewegungen zu koordinieren. Sie verdreht den Kopf unkontrolliert nach hinten. Durch diese Koordinationsstörungen gelingt es dem erkrankten Reptil nicht mehr einen Beutebiss auszuführen oder das Futtertier zu umschlingen. Auch ist die erkrankte Schlange im Falle von solchen Ausfallerscheinungen nicht mehr in der Lage, sich zu häuten. Weiter werden Lähmungserscheinungen und Kopfzittern beschrieben, sowie die Unfähigkeit des erkrankten Reptils, sich wieder in die Bauchlage zu bringen, wenn es auf den Rücken gelegt wurde.

ABER:

Die meisten der oben beschriebenen Fälle von Koordinationsstörungen ("Stargazing") werden nicht durch IBD verursacht, sondern von

  • pathogenen Keimen, welche die Blut-Hirn-Schranke überwinden und Infektionen des Zentralen Nervensystems auslösen
  • Nebenwirkungen von Medikamenten, vor allem Metronidazol
  • Vergiftungen (z. B. Milbenmittel)
  • einer Überhitzung der Schlange

Hier ist auch schon der erste Kritikpunkt anzumerken: Viele Schlangenhalter und unsere ignoranten Trolle in den Reptilienforen sehen den Beweis für das Vorliegen von IBD aufgrund des Vorliegens von Koordinationsstörungen erbracht, obwohl die oben genannten Ursachen wesentlich häufiger für das "Stargazing" verantwortlich sind als die Einschlusskörperchenkrankheit. Was noch schlimmer ist: Wir haben auch schon von Tierärzten gehört, welche die IBD Diagnose vorschnell aufgrund dieses Symptoms treffen.

Außer zentralnervösen Störungen existiert noch eine breite Palette anderer klinischer Symptome von IBD: Auswürgen der Nahrung (Regurgitation), Atemwegserkrankungen, Leukämie, Geschwüre auf der Haut, rapider Verlust von Gewicht und Muskelmasse, chronische diphtheroid-eitrige Enteritis (Dünn-, Blind- und Dickdarm), häufig verbunden mit einer septikämischen Salmonellose,  Entzündungen und Deformationen der Wirbelknochen.

3. Allgemeininfektion durch Salmonellen

Dr. Dr. Udo Hetzel teilte den Verfassern noch eine interessante These mit, die allerdings erst noch zu beweisen ist.

An seiner früheren Wirkungsstätte, der Uni Giessen, wurde in ca. 40% der IBD - Fälle eine Enteritis (Darmentzündung), oft dann die Sepsis (Allgemeininfektion), in der Regel verursacht durch Salmonella sp. Poly B (Salmonellen) festgestellt.

Salmonellen sind normalerweise ein Teil des normalen Keimspektrums der Tiere (gelegentlich aber auch krankheitserregend).

Bei IBD – so die These von Dr. Dr. Hetzel – kommt es aufgrund der Virusinfektion zu Veränderungen an den Darmenterozyten, welche Salmonella in die Lage versetzen, die Schleimhautbarriere zu durchbrechen und sich im Körper auszubreiten. Die Anwendung von Antibiotika führt dann zu einer zwischenzeitlichen Verbesserung des Allgemeinbefindens. Sobald allerdings das Antibiotikum abgesetzt wird, beginnt alles wieder von vorn.

4. Wie wird IBD sicher diagnostiziert bzw. ausgeschlossen?

Nach neuesten Erkenntnissen überhaupt nicht!



Dazu Dr. med. vet. Wolfgang Heuberger, der zusammen mit seiner Frau Dr. med. vet. Katharina Heuberger die Reptilienpraxis Niederbayern betreibt:



Wir sind nach unserer 10jährigen Praxiserfahrung der Meinung, dass eine Vielzahl von Faktoren als immun schwächendes Agens auftreten können, die nichts mit IBD zu tun haben. Eine Abgrenzung erscheint nicht möglich, da es, sowohl nach der Meinung des Veterinäruntersuchungsamtes Detmold als auch der "IBD-Spezialisten" aus Liverpool im Gegensatz zu früheren Aussagen zur Zeit nicht möglich, IBD am lebenden Tier nachzuweisen.

Da am lebenden Tier keine verlässlichen Aussagen getroffen werden können, raten wir unseren Kunden grundsätzlich eher von solchen IBD Tests ab. Bei neurologisch auffälligen Tieren, die im Bluttest positive Resultate erzielten, kann man über die Aussagekraft sicher diskutieren.



Und auch die Postmortemuntersuchungen, bei denen Einschlusskörperchen gefunden werden, werden in ihrer Aussagekraft heftig diskutiert - da mehrere Virengruppen Einschlusskörperchen hinterlassen können und wir bei Reptilien allgemein und Schlangen speziell noch nur einen ganz kleinen Teil der Viren überhaupt kennen und klassifizieren können. Wenn man bedenkt, wie viele Viren beim Menschen bekannt sind, und wie viel weniger schon bei unseren typischen Haustieren, dann ist davon auszugehen, dass wir bei der Reptilienmedizin, die ja ohnehin einige Jahre hinter der Kleintiermedizin herhinkt, noch im Anfangsstadium der Reptilien-Virologie stehen.

Wenn man Einschlusskörperchen nachweisen kann, ist noch lange nichts über die krankmachende Eigenschaft der die Einschlusskörper bildenden Viren gesagt, da oft einfach nicht klar diagnostiziert werden kann, von welchem Virus genau diese stammen und ob es z.B. nur Zelltrümmer von überstandenen Virusinfektionen sind. Und in der Geschichte der IBD sind schon viele Tiere eingeschläfert worden aufgrund von Befunden, die von den jeweiligen Instituten unterschiedlich bewertet wurden.

Wenn Symptome passend zu den Einschlusskörperchen (Verdacht auf Neurologische Symptome, Atemwegsinfektionen, u. a.) auftreten, wird dennoch oft von einer sicher diagnostizierten IBD gesprochen.

(Soweit Dr. Heuberger, bei dem wir uns für die Abhandlung herzlich bedanken!)



Wir gehen im übrigen davon aus, dass dieser Sachverhalt nicht nur den Dres. Heuberger bekannt ist. Da stellt sich natürlich die Frage, warum weiterhin IBD - Tests, die im Grund wenig aufschlussreich sind, angeboten werden. Ein Schelm, der einen monetären Hintergrund dabei vermutet!

 

5. Gibt es eine Heilung?

Bisher nicht. Alle Riesenschlangen, die an IBD erkranken, sterben über kurz oder lang wenn sich klinische Symptome der Krankheit zeigen. Allgemein wird empfohlen, das erkrankte Tier einzuschläfern. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass es Boa constrictor gibt, die jahrelang mit dem Virus leben, ohne irgendwelche Symptome zu zeigen. Deshalb können IBD – positive Tiere, die noch nicht erkrankt sind, als Einzeltiere gehalten werden.

Unter Berücksichtigung von Punkt 4 der Abhandlung ist denkbar, ja sogar wahrscheinlich, dass positiv diagnostizierte Tiere überaupt kein IBD haben, sondern die gefundenen Einschlußkörper von harmlosen Viren stammen. Auch können erkrankte Tiere Infektionen haben, wo eine Heilung möglich ist, wenn die parallel gefundenen Einschlußkörper von harmlosen Viren stammen.

Erneut stellt sich die Frage, wieviele Boa constrictor schon eingeschläfert wurden, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre!

6. Wie erfolgt die Ansteckung?

Es wird diskutiert, dass die Schlangenmilbe die Hauptursache für die Verbreitung von IBD ist. Die Übertragung kann erfolgen, wenn einer dieser Parasiten bei einer erkrankten Schlange eine Blutmahlzeit hatte und anschließend den Wirt wechselte.

Auch eine Ansteckung über Körperflüssigkeiten ist anzunehmen. Hier sind zu nennen Ausscheidungen (Kot, Urin), Absonderungen aus dem Maul (Speichel, Schleim) und Austausch von Körpersäften bei der Paarung. Generell ist die Ansteckungsgefahr bei Tieren, die im selben Terrarium gehalten werden hoch, aber nicht zwingend.

Bei sorgfältiger Hygiene ist eine Übertragung von Terrarium zu Terrarium wenig wahrscheinlich.

Bei mangelnder Hygiene kann die Ansteckung über Gerätschaften (Futterzange, Kotschaufel, Schlangenhaken) im Laufe der Monate und Jahre erfolgen.

Ebenso ist eine vertikale Ansteckung wahrscheinlich, das heißt eine Übertragung des Virus von der Mutter auf die Jungen im Verlauf der Trächtigkeit. Allerdings ist in der Literatur ein Fall beschrieben, wo die Jungen eines infizierten Muttertieres nicht vom Virus befallen waren. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass es in so einem Fall nicht zwingend zur Ansteckung der Schlangenbabys kommt.

Bisher hat sich gezeigt, dass eine IBD Epidemie in einem Bestand fast immer mit einem massiven Milbenproblem korreliert. IBD wird nach bisherigen Erkenntnissen nicht über die Luft übertragen. Die Ansteckungswege dürften ähnlich wie bei der Immunschwäche AIDS sein (Ansteckung durch Austausch von Blut und Körperflüssigkeiten).

Es sind Fälle bekannt, wo gesunde Boas für längere Zeit mit "IBD Boas" im selben Terrarium gehalten wurden, ohne dass es zu einer Ansteckung gekommen ist (Heuberger, pers. Mitteilung).

(Hier sind wir auch wieder bei Punkt 4 als mögliche Erklärung)

Boa IBD | IBD Boa | Inclusion Body Disease | Boa constrictor IBD | Boa Aids | Stargazing | Boa constrictor dreht den Kopf | Boa constrictor Koordinationsstörung | Einschlusskörper | Einschlusskörperchenkrankheit Boa constrictor | Paramyxovirus | Paramyxoviren | Virus | Retrovirus | Schlangenseuche |


!!!! Neueste Erkenntnisse ....... Newsflash on IBD !!!!

Wie wird IBD sicher diagnostiziert bzw. ausgeschlossen?

Nach neuesten Erkenntnissen überhaupt nicht!

Dazu Dr. med. vet. Wolfgang Heuberger, der zusammen mit seiner Frau Dr. med. vet. Katharina Heuberger die Reptilienpraxis Niederbayern betreibt:

Wir sind nach unserer 10jährigen Praxiserfahrung der Meinung, dass eine Vielzahl von Faktoren als immun schwächendes Agens auftreten können, die nichts mit IBD zu tun haben. Eine Abgrenzung erscheint nicht möglich, da es, sowohl nach der Meinung des Veterinäruntersuchungsamtes Detmold als auch der "IBD-Spezialisten" aus Liverpool im Gegensatz zu früheren Aussagen zur Zeit nicht möglich, IBD am lebenden Tier nachzuweisen.

Da am lebenden Tier keine verlässlichen Aussagen getroffen werden können, raten wir unseren Kunden grundsätzlich eher von solchen IBD Tests ab. Bei neurologisch auffälligen Tieren, die im Bluttest positive Resultate erzielten, kann man über die Aussagekraft sicher diskutieren.

Und auch die Postmortemuntersuchungen, bei denen Einschlusskörperchen gefunden werden, werden in ihrer Aussagekraft heftig diskutiert - da mehrere Virengruppen Einschlusskörperchen hinterlassen können und wir bei Reptilien allgemein und Schlangen speziell noch nur einen ganz kleinen Teil der Viren überhaupt kennen und klassifizieren können. Wenn man bedenkt, wie viele Viren beim Menschen bekannt sind, und wie viel weniger schon bei unseren typischen Haustieren, dann ist davon auszugehen, dass wir bei der Reptilienmedizin, die ja ohnehin einige Jahre hinter der Kleintiermedizin herhinkt, noch im Anfangsstadium der Reptilien-Virologie stehen.

Wenn man Einschlusskörperchen nachweisen kann, ist noch lange nichts über die krankmachende Eigenschaft der die Einschlusskörper bildenden Viren gesagt, da oft einfach nicht klar diagnostiziert werden kann, von welchem Virus genau diese stammen und ob es z.B. nur Zelltrümmer von überstandenen Virusinfektionen sind. Und in der Geschichte der IBD sind schon viele Tiere eingeschläfert worden aufgrund von Befunden, die von den jeweiligen Instituten unterschiedlich bewertet wurden.

Wenn Symptome passend zu den Einschlusskörperchen (Verdacht auf Neurologische Symptome, Atemwegsinfektionen, u. a.) auftreten, wird dennoch oft von einer sicher diagnostizierten IBD gesprochen. Soweit Dr. Heuberger.

Wir gehen davon aus, dass dieser Sachverhalt nicht nur den Dres. Heuberger bekannt ist. Da stellt sich natürlich die Frage, warum weiterhin IBD - Tests, die im Grund wenig aufschlussreich sind, angeboten werden. Warum das so ist? Dreimal dürfen Sie raten!



7. Wie widerstandsfähig ist der Virus außerhalb des Wirtstieres?

Nach den bisherigen Erkenntnissen machen handelsübliche Desinfektionsmittel deren Wirksamkeit gegen HIV Viren nachgewiesen wurde  (z. B. Sagrotan®,) auch dem IBD Virus den Garaus. Als Retrovirus überlebt er ohnehin nicht lange außerhalb des Wirtskörpers (immer mit der Einschränkung, dass es sich auch tatsächlich um einen  Retrovirus handelt, was noch nicht abschließend geklärt ist).

8. Wie häufig ist eigentlich IBD?

Genaue Zahlen gibt es nicht, schon gar nicht, wenn man wieder Punkt 4 der Abhandlung berücksichtigt. Fest steht jedoch, dass die Einschlusskörperchen Krankheit bei weitem nicht so häufig auftritt wie z. B. bakterielle Infektionen oder durch Einzeller verursachte Gesundheitsprobleme. Dazu ein Spruch, der Medizinstudenten an der Universität ans Herz gelegt wird:

Wenn man Pferdegetrappel hört, sollte man nicht zuerst an Zebras denken.

Was heißt das? Ganz einfach: Häufige Krankheiten kommen häufig vor, weniger häufige Krankheiten kommen weniger häufig vor. Wenn Ihre Boa also mehrmals auswürgt oder verschleimt ist, brauchen Sie nicht gleich in IBD - Panik zu verfallen. In den weitaus meisten Fällen wird es sich um eine bakterielle Infektion handeln, sonst nichts.

Auch für das unkontrollierte Drehen des Kopfes, das so genannte "Stargazing" ist eine bakterielle Infektion, eine Vergiftung (Milbenbekämpfungsmittel, Medikamente wie z.B. Metronidazol) oder eine vorangegangene Überhitzung des Tieres weitaus häufiger verantwortlich als IBD, wie bereits ausgeführt wurde.

Rechnen Sie mit einem Zebra, wenn Sie bei einem Waldspaziergang Hufgetrappel hören? Eben.

9. Was muss ich tun, wenn IBD in meinem Bestand festgestellt wurde?

Auch hier ist wieder auf Punkt 4 hinzuweisen: Eine sichere Diagnose gibt es nicht! Aber Vorsicht schadet trotzdem nicht, deshalb:

  • Jede Schlange in dem Terrarium lassen, in dem sie ist und nicht mehr neu vergesellschaften
  • Für jedes Terrarium eigene Gerätschaften (Kotschaufel, Futterzange, Schlangenhaken usw.) verwenden
  • Milben konsequent bekämpfen (sehr wichtig!)
  • Nicht angenommene Futtertiere keinesfalls der nächsten Schlange anbieten
  • Größte Hygiene walten lassen und alle Gerätschaften regelmäßig gründlich desinfizieren
  • Nach jeder Handhabung einer Schlange die Hände waschen, bevor die nächste berührt wird
  • Terrarien in denen IBD - positive Schlangen gehalten wurden, können nach derzeitigen Erkenntnissen nach einer gründlichen Desinfektion wieder verwendet werden (Desinfektionsmittel mit HIV Wirksamkeit verwenden, z. B. Sagrotan® oder Mikrozid®)

An dieser Stelle sei angemerkt, dass die meisten der gerade beschriebenen Hygienemaßnahmen ohnehin Standard sein sollten.

10. Ein wahrer Fall aus den USA

Um Ihnen ein besseres Verständnis für die IBD Problematik (wie sie sich in der Praxis darstellt) zu verschaffen, haben wir aus dem Buch „The Boa constrictor Manual“, das in den USA erschienen ist, ein Fallbeispiel entnommen. Es hat sich tatsächlich so zugetragen.

Fallbeispiel:

Ein Riesenschlangenhalter erwarb von einem guten Freund ein 2jähriges Boa constrictor Männchen für seine beiden Weibchen, die er seit 3 Jahren besaß. Nach einer Quarantänezeit von 3 Monaten und einer Untersuchung durch den Tierarzt, der dem Boamännchen eine gute Gesundheit bescheinigte, wurden die drei Tiere vergesellschaftet.

Vorher hatte der Riesenschlangenhalter seinen Zuchtversuch mit einer kurzen Kühlperiode eingeleitet. Prompt entwickelte das Männchen eine leichte Atemwegsinfektion, die jedoch durch die Gabe von Antibiotika und einer Erhöhung der Haltungstemperatur wieder ausgeheilt wurde. Eine weitere kurze Kühlperiode überstand das Männchen diesmal schadlos und wurde dann zu den beiden Weibchen gesetzt.

Der Zuchtversuch verlief erfolgreich und ohne Komplikationen. 21 Boababys waren das Resultat. Sie wurden an Freunde und örtliche Zooläden verkauft.

Das Muttertier fraß jedoch nach dem Ablegen der Jungen jedoch nicht wieder wie gewohnt und zeigte Anzeichen einer Maulfäule (infektiöse Stomatitis). Diese wurde mit Antibiotika und begleitenden Maßnahmen wieder ausgeheilt. Anschließend begann das Weibchen wieder normal zu fressen und nahm auch an Gewicht zu.

Alles wäre wunderbar gewesen, wenn nicht eines der Boa Babys erkrankt wäre und die Diagnose IBD gelautet hätte. Daraufhin wurden die Eltern untersucht und diese ebenfalls beide IBD – positiv getestet.

Aus diesem Sachverhalt ergeben sich nun folgende Möglichkeiten:

  • Das Männchen war mit dem IBD Virus infiziert und hat das (vorher) gesunde Weibchen angesteckt.
  • Das Männchen war beim Erwerb gesund und IBD – frei. Das Weibchen hingegen trug den IBD Virus in sich. Aufgrund eines stabilen Immunsystems blieb es jedoch über einen langen Zeitraum hinweg gesund, steckte aber das Männchen an. Diese Möglichkeit ist weniger wahrscheinlich als die erste, jedoch nicht auszuschließen.
  • Beide Tiere hatten vorher schon IBD, erkrankten aber erst durch den Stress des Ortswechsels, bzw. der Vergesellschaftung (wenig wahrscheinlich, aber nicht unmöglich)

11. Noch einige Gedanken zu IBD

In den USA war es bis vor kurzem unter missgünstigen Reptilienhändlern und Schlangenzüchtern gängige Praxis, den Konkurrenten IBD anzudichten um ihnen geschäftlich zu schaden. Auch die Züchter von Königspython Farbmutanten schwangen gerne die IBD Keule gegen die "Boa Konkurrenz" mit der falschen Behauptung, Königspythons seien von IBD nicht betroffen.

Inzwischen hat die IBD –Hysterie jenseits des großen Teiches merklich nachgelassen, was diesen „Spielchen“ glücklicherweise ein Ende bereitete.

Unser Rat: Hüten Sie sich vor Leuten, die im Zusammenhang mit IBD mit den Fingern auf andere zeigen, denn die Motive hierfür liegen immer im monetären Bereich.

Um es abschließend nochmals ganz klar und deutlich zu sagen: Kein Riesenschlangenhalter kann behaupten, sein Bestand wäre frei von IBD, da ein negatives Untersuchungsergebnis bei der Einschlusskörperchenkrankheit nichts heißen will (wie wir nun wissen, haben positive Befunde auch nur eine sehr begrenzte Aussagekraft).

Inserate, wie wir sie schon im Anzeigenjournal des DGHT gelesen haben „... Boa constrictor  aus IBD – freien Bestand zu verkaufen“ sind also reiner Humbug. Damit dokumentiert der Inserent nur seine Unwissenheit über die Einschlusskörperchenkrankheit.

Unser Rat: Machen Sie sich wegen IBD nicht verrückt. Die Einschlusskörperchenkrankheit ist bereits seit Mitte der siebziger Jahre bekannt. 

Es wird auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass IBD überhaupt nicht Schuld an vorliegenden Krankheitssymptomen ist, sondern dass es sich bei der gefundenen Einschlüssen nur um einen Zufallsbefund handelt, der mit der Erkrankung des Tieres in Wirklichkeit nichts zu tun hat.



Das heißt, dass die Möglichkeit besteht, dass IBD gar nicht existiert, sondern die Tiere an Infektionen zugrunde gehen, die von Bakterien oder Einzellern ausgelöst wurden, häufig bedingt durch Stress (falsche Haltungsparameter, häufiger Standortwechsel durch Verkauf, Paarungszeit usw.)

Behalten Sie im Hinterkopf, dass es die Einschlusskörperchenkrankheit gibt und lassen Sie immer größtmögliche Hygiene walten, um im Falle eines Falles eine Verbreitung innerhalb Ihres Bestandes auszuschließen. Ansonsten nehmen Sie IBD als das, was es ist: Ein Faktor, der in der privaten Haltung von Riesenschlangen (Boas und Pythons) eigentlich schon immer vorhanden war.

Quellenverzeichnis:

Roundtable Inclusion Body Disease; Bulletin of the Association of Reptilian and Amphibian Veterinarians; Volume 9, No. 2, 1999;

Elliot R. Jacobson, MS, DVM, PhD, DACZM; Roger J. Klingenberg, DVM; Bruce L. Homer, DVM, PhD, DACVP; Douglas R. Mader, MS, DVM, DABVP (CA); Moderator: Robert Nathan, DVM

Inclusion Body Disease in boid snakes; Journal of Zoo and Wildlife Medicine 25(4);

Juergen Schumacher, Dr. med. vet.; Elliot R. Jacobson, MS, DVM, PhD; Bruce L. Homer, DVM, PhD, DACVP; Jack M. Gaskin, DVM., PhD;

The Boa constrictor Manual; von Philippe de Vosjoli, Roger Klingenberg DVM, Jeff Ronne, erschienen in der Reihe “The Herpetocultural Libraryâ”, Ó 1998 by Advanced Vivarium Systems, INC.

... und weil manche Boten der Apokalypse in den Foren gemerkt haben, dass mit IBD nicht mehr soviel Angst und Schrecken verbreitet werden kann, wie das noch vor einiger Zeit der Fall war, weil die Ansteckungsgefahr halt doch nicht so groß ist und vielleicht vieles nicht ganz so ist, wie man zu wissen glaubte, haben sie sich wie  hungrige Hunde auf ein vermeintlich neues Virus (Paramyxo) gestürzt, das angeblich über die Luft übertragen wird, was natürlich für die Panikmacher sehr praktisch wäre...

Sie hoffen nun, mit Überschriften wie " Neues Todesvirus in Bayern" wieder ordentlich Aufmerksamkeit zu erhaschen.

Hier eine Stellungnahme zu diesem Thema von den Dres. Wolfgang und Katharina Heuberger, die wir zu den kompetentesten Reptilientierärzten Deutschlands zählen:

Kurze Stellungnahme zum Thema "Neues Todesvirus (in Bayern und sonstwo)"

Zunächst muß darauf hingewiesen werden, daß es sich bei dem sogenannten "neuen (Todes-) Virus" um einen guten alten Bekannten handelt - die meisten unter diesem Pseudonym benannten Fälle lassen sich auf Infektionen mit Paramyxoviren zurückführen. Diese sind den meisten altgedienten Terrarianern wohlbekannt und sind in der Schlangenszene nur durch die leidige IBD-Diskussion etwas in den Hintergrund getreten, jedoch nie wirklich verschwunden.

Nun scheinen erneut aktuell vermehrt Fälle aufzutreten, die jedoch etwas verantwortungslos zu einer allgemeinen Seuche hochstilisiert worden sind.

Zweifellos handelt es sich hier um eine ansteckende, unheilbare und bei Ausbruch meist tödlich verlaufende Infektionskrankheit, jedoch hat sich das Virus seit seiner Entdeckungszeit, in der ganze Bestände - wohl auch über aerogene, also über die Luft, Übertragung - verloren gegangen sind, mehrfach geändert bezüglich Ansteckungsverhalten und Aggressivität (wie die meisten Viren).

Momentan können chronischer (langanhaltender) und latenter (klinisch unauffälliger) Verlauf im Gegensatz zu früheren Ausbrüchen beobachtet werden - dahingegen scheint die Übertragbarkeit über die Luft in den meisten Fällen -zumindest nach unseren Erfahrungen - nicht gegeben (wenn auch nicht sicher ausgeschlossen), z. T.  sind sogar Tiere, die mit infizierten Tieren im gleichen Terrarium saßen, bislang ohne Infektionsnachweis geblieben. Parallelen zur Entwicklung der IBD-Infektion sind augenfällig.

Was bedeutet dies für den Terrarianer und Schlangenhalter?

  • Im Prinzip gelten die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie in jeder verantwortungsbewußten Tierhaltung!!! Es gibt Anlaß zur Vorsicht, aber  NICHT zur Hysterie!!!
  • Strenge, langdauernde Quarantäne für jeden Neuzugang, mindestens 4 Wochen
  • konsequenter Einsatz von geeigneten Hand- und Flächendesinfektionsmitteln
  • Keine gemeinsame Benutzung von Futterzangen, Geräten, Trinknäpfen, etc ohne entsprechende Desinfektion
  • bei der geringsten Auffälligkeit von Neuzgängen (typisch sind Veränderungen des Nervensystems, jedoch auch alle anderen Krankheitszeichen, wie zB Maulfäule, Lungenentzündung, etc. können hinweisend sein) Verlängerung der Quarantäne und evtl. Test auf Paramyxovirose     
  • Kontaktieren eines reptilienkundigen Kollegen

Welche Möglichkeiten des Nachweises bestehen?

Am sinnvollsten ist momentan die Entnahme eines Rachentupfers mittels eines sterilen Watteträgers, umgehender Versand und ausreichender Vorbericht an eine geeignete Untersuchungsstelle.

Wie bereits betont soll die Gefährdung durch diese Krankheit nicht heruntergespielt werden, jedoch muss mit Besonnenheit und Sachverstand vorgegangen werden. Da die Krankheit keinen typischen Verlauf hat (wie die meisten Viruserkrankungen), dürfen auch keine vorschnellen und übereilten Maßnahmen ergriffen werden, gerade hinsichtlich der "Abschaffung" verdächtiger Tiere.

Wir hoffen, dem ein oder anderen weitergeholfen oder zumindest Denkanstöße gegeben zu haben ....